Weg in die Selbständigkeit
Aus der stationären Jugendhilfe in die eigene Wohnung.
Maria und Nina haben längere Zeit in verschiedenen Wohngruppen unserer Einrichtung gelebt. Beide sind 18 Jahre alt und damit endet für sie die bisherige Form des Lebens in der stationären Jugendhilfe. Maria hat vor kurzer Zeit eine eigene Wohnung gefunden, Nina ist noch auf der Suche.
Wo habt ihr bislang im Kinder- und Jugendhaus gewohnt und wie wollt Ihr in Zukunft wohnen?
Maria: „Ich habe zunächst in der Flex-Gruppe gelebt und kam dann in die Valentin-Gruppe. Klar war mir, dass ich schnell eine eigene Wohnung haben möchte.“
Nina: „Seit einem Jahr lebe ich jetzt in der Valentin-Gruppe. Ich suche dringend eine Wohnung, weiß aber auch, dass mir das Alleinsein total schwerfällt.“
Wo habt ihr vorher gelebt?
Maria: „Nachdem nach meiner Mutter auch mein Vater verstorben war, lebte ich erst bei seiner Schwester. Dann habe ich vorübergehend bei der Familie meines Freundes gewohnt. Das war ganz schön eng. Die Lösung war dann die Unterbringung im Kinder- und Jugendhaus St. Josef, da war ich 17 Jahre alt.“
Nina: „Bei mir war es ähnlich. Meine Mutter ist gestorben. Ich lebte dann zunächst in einer Jugendeinrichtung in einem anderen Bundesland, wollte aber zu meinem Papa hier nach Norddeutschland ziehen. Das klappte aber nicht, weil er den ganzen Tag arbeiten muss.“
Was habt Ihr unternommen, um eine Wohnung zu finden?
Maria: „Ich schaute regelmäßig im Internet nach, z.B. bei eBay-Klein-anzeigen, in den Zeitungen und Wochenblättern. Und ich habe mich zusätzlich in allen Wohnungsgenossenschaften eintragen lassen.“
Nina: „Ich auch, aber mir fällt es schwer, mit fremden Menschen zu reden und zu telefonieren. Da weiß ich immer nicht was ich sagen soll. Wenn die dann hören, dass ich noch zur Schule gehe, dann bekomme ich oft gar nicht die Möglichkeit, mich vorzustellen oder die angebotene Wohnung zu besichtigen.“
Maria, wie hast du es geschafft, dann doch eine Wohnung zu bekommen?
Maria: „Ich habe immer wieder bei einer Wohnungsbaugesellschaft angerufen und gesagt, dass ich eine Wohnung auch selbst renovieren kann. Für mich musste es nicht alles neu und perfekt sein. Ich war mir sicher: ich werde es mir schon gemütlich machen, Hauptsache ich habe mein eigenes Reich.“
Wie lange habt Ihr nach Wohnungen gesucht und wurde Euch bei der Suche geholfen?
Maria: „Bei mir hat es fünf Monate gedauert, bis ich meine Wohnung beziehen konnte. Auch wenn ich wusste, was ich alles machen musste, war es schwierig, diese ganzen Anträge zusammenzustellen und zu klären, wer eigentlich was braucht. Dabei hat mir meine Bezugsbetreuerin sehr geholfen. Bei der Wohnungssuche gibt es ja so viele Bewerber, da muss es schnell gehen. “
Nina: „Ich suche schon seit 6 Monaten und bekomme bei der Suche auch Hilfe. Ob ich es packe, allein zu wohnen, weiß ich gerade nicht so genau. Vielleicht ist es besser für mich, mit einer Freundin zusammenzuziehen. Jetzt suchen wir gemeinsam: Sie kann gut telefonieren, ich helfe mit, die Anträge zu stellen.“
Maria, was hast du als große Freiheit erlebt, jetzt in einer eigenen Wohnung zu leben?
Maria: „Ich habe mein eigenes Reich und kann tun was ich will. Und am Ende ist es doch gar nicht so aufregend, wie ich anfangs gedacht habe. Ich bin keine Party-maus und plane meine freie Zeit gut.“
Was ist für Dich schwierig beim Alleinleben?
Maria: „Das Alleinsein. – Die Stille ist schon manchmal schwer auszuhalten. Früher konnte ich mal eben zu meiner Betreuerin gehen und meine Fragen loswerden. Wir stehen aber telefonisch in Kontakt und ich kann immer anrufen. Letzte Woche kam zum Beispiel so ein blöder Brief und ich wußte nicht, was ich machen sollte.“
Welche Voraussetzungen braucht Eurer Meinung nach ein junger Mensch zum Leben in einer eigene Wohnung ?
Maria: „Zuverlässig sein, gut mit Geld umgehen können, und Verantwortungsbewusstsein.“
Nina: „Mit Geld umgehen können und anfangs unbedingt eine Form der „Nachbetreuung“, gerade bei Behördenangelegenheiten und anderen organisatorischen Dingen.“
Was hilft dir, gut in deiner Wohnung klarzukommen?
Maria: „Ich lebe noch in der Nachbetreuung. Da kann ich jederzeit meine Bezugsbetreuerin anrufen und habe auch feste Termine mit ihr. Wir besprechen uns, wenn es wichtige Post gibt und sie kommt mich besuchen oder wir gehen in die Stadt. Wir planen auch, wie es beruflich bei mir weitergehen kann und wie ich neue Leute kennenlernen kann.“
Was bedeutet …
Verselbständigungsbegleitung im Kinder- und Jugendhaus St. Josef
Dies ist ein Betreuungsangebot für junge Menschen ab 16 Jahren. Es kann in stationärer und ambulanter Form sowohl im Haupthaus als auch in trägereigenen Trainings-wohnungen des -Kinder- und Jugendhauses St. Josef durchgeführt werden.
Das Ziel der Verselbständigungsbegleitung ist es, die Übernahme der Selbstverantwortung bei den jungen Menschen zu fördern und weiterzuentwickeln. Beim Übergang in ein eigenständiges Leben werden sie gezielt unterstützt. Dieses Ziel ist erreicht, wenn es den jungen Menschen gelingt:
- eine Alltagsstruktur aufzubauen,
- ihr Einkommen mittelfristig zu sichern,
- genügend Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln,
- eine tragfähige Lebensperspektive zu finden.
Silvia Roos