Ein Zuhause auf Zeit – eine Liebe für immer

Als Erzieherin in der Situation der Inobhutnahme*gruppe von Kindern und Jugendlichen
Erfahrungsbericht von Brinja Thiel

Der Beruf der Erzieherin ist für mich weit mehr als ein Job – es ist eine Berufung. Die Situation einer Inobhutnahme eines Kindes oder Jugendlichen in unserem Kinder- und Jugendhaus St. Josef ist für mich immer wieder etwas ganz Besonderes. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen begegne ich hier Kindern und Jugendlichen, die oft mehr erlebt haben, als sie tragen können. In ihrem Innersten sind sie fast immer tief gezeichnet von Verlust, Enttäuschung und manchmal auch von Gewalt.

Brinja Thiel - Ein Zuhause auf Zeit - eine Liebe für immer

Doch inmitten von Chaos und Unsicherheit sind wir als Erzieherinnen und Erzieher in diesem Moment des Ankommens im Kinder- und Jugendhaus St. Josef für sie da. Wir sind die Menschen, die ihre Hand halten, wenn die Welt, in der sie bisher gelebt haben, sie gefühlt im Stich gelassen hat.

Es ist für meine Kolleginnen und Kollegen und mich immer wieder ein emotionaler Balanceakt zwischen Mitgefühl und professioneller Distanz. Als Erzieherinnen und Erzieher in einer unserer Wohngruppen für die Inobhutnahmen*, bieten wir einen sicheren Hafen, in dem diese jungen Menschen wieder lernen können, zu vertrauen. Wir hören zu, trösten, machen Mut und begleiten sie auf ihrem Weg.

Jeder Tag ist anders – herausfordernd, intensiv, aber auch voller kleiner, stiller Momente, die das Herz berühren. Ein Lächeln, ein erster Blick der Hoffnung oder das Gefühl, dass ein junger Mensch sich endlich sicher fühlt – das sind die Momente, die für mich unsere Arbeit so wertvoll machen.

In den Wohngruppen, die die Inobhutnahme* im Kinder- und Jugendhaus St. Josef übernehmen, sind wir oft die Brücke zwischen dem Gestern, das schmerzt, und einem Morgen, das Hoffnung gibt. Unsere Arbeit erfordert Kraft, Geduld und vor allem eine tiefe Liebe zu dem, was wir tun. Denn es ist nicht immer leicht, diesen Kindern und Jugendlichen das zu geben, was sie brauchen – Stabilität, Verständnis und ein Gefühl von Geborgenheit. Doch jedes kleine Stück Vertrauen, das sie uns schenken, ist ein kostbarer Beweis dafür, dass es sich lohnt.

Dieser Beruf lehrt uns, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es sind die Geschichten, die Narben und die Kämpfe dieser jungen Menschen, die uns immer wieder daran erinnern, wie stark Menschen sein können. Als Erzieherinnen und Erzieher tragen wir die Verantwortung, ihnen nicht nur ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern auch die Wärme eines Zuhauses und die Stärke, die sie für ihren Weg brauchen.

Es ist ein Beruf, der Herz und Seele fordert – und gleichzeitig unendlich viel zurückgibt. Denn wir sind nicht nur Erziehende. Wir sind für diese Kinder und Jugendlichen wie ein Licht in der Dunkelheit und manchmal die erste Person, die an sie glaubt.

*Erklärung Begriff „Inobhutnahme“:
Eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII ist eine erforderliche Schutzmaßnahme, wenn sich eine Minderjährige / ein Minderjähriger in einer akuten Krise oder dringenden Gefahr befindet und aus diesem Grund eine vorübergehende Unterbringung bei einer geeigneten Person, in einer Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform notwendig ist.